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Frage

Lieber Pater Angelo,

ich möchte gern wissen, warum in den Zehn Geboten geschrieben steht, man soll Vater und Mutter ehren, während den Pflichten gegenüber ihren Kindern keinerlei Aufmerksamkeit geschenkt wird.

Ich bin ohne Vater aufgewachsen, weil der Mann, der mein Vater hätte sein sollen, eine andere Familie gegründet hat und mit der anderen Frau ein Kind bekommen hat, dem er Zuneigung und Wohlstand schenkt.

Mir hat er nie etwas gegeben, für ihn war es praktisch so, als existiere ich nicht.

Ich denke jeden Tag voller Groll an ihn, weil er für mich keine Verantwortung übernehmen wollte und verfluche ihn und hoffe, dass Gott ihn in die Hölle schickt.

(…)

Ich hoffe, Ihre Antwort beschränkt sich nicht nur darauf, mich zu erinnern, dass wir im Gebet des Vaterunsers unseren Schuldnern vergeben müssen …

Ich schaffe es einfach nicht, ihm zu verzeihen, hoffe aber, deswegen nicht in der Hölle zu landen.

Abgesehen von meinem Groll, habe ich dieser Person nie wirklich geschadet … Ich will nur, dass er stirbt und zur Hölle fährt.

Danke im Vorhinein für Ihre Antwort.


Antwort des Priesters

Liebe Besucherin,

1. auch wenn im vierten Gebot die Pflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern nicht ausdrücklich erwähnt werden, ist dieser Hinweis in der Heiligen Schrift dennoch sehr präsent.

Aus diesem Grund ist der Katechismus der Katholischen Kirche in besonderer Weise auch auf die Pflichten der Eltern ausgeweitet.

Hier sind ein paar Auszüge:

2. “Im weiteren Sinn schließt dieses Gebot auch die Pflichten von Eltern, Vormündern, Lehrern, Vorgesetzten, Behörden und Regierenden mit ein, all jener also, die über andere Menschen oder über eine Gemeinschaft Autorität ausüben” (KKK 2199).

3. Und dann, nachdem er weitere Nummern gewidmet hat, um diese Pflichten zu verdeutlichen, sagt er zusammenfassend:

“Die Eltern sind die Erstverantwortlichen für die Erziehung ihrer Kinder zum Glauben zum Gebet und zu allen Tugenden Sie haben die Pflicht soweit es ihnen möglich ist für die leiblichen und geistigen Bedürfnisse ihrer Kinder zu sorgen” (KKK 2252).

Und “Die Eltern sollen die Berufung ihrer Kinder achten und unterstützen. Sie sollen nicht vergessen und es auch ihren Kindern beibringen daß jeder Christ in erster Linie dazu berufen ist Christus nachzufolgen” (CCC 2253).

4. Um zu deinen Fall zu kommen: was nützt es, zum Himmel zu schreien, dass du dir wünschst, dein Vater kommt in die Hölle?

Nützt dir eine solche Bitte etwas?

Lass mich dir sagen: diese Bitte bringt dir keine Verdienste, im Gegenteil: nichts außer Minuspunkte.

5. Es ist gut nachvollziehbar, dass dein Herz von so viel Ungerechtigkeit erbittert ist. Und dafür bin ich mit dir für dein Leiden solidarisch.

Aber der Herrgott sagt: “ Ich habe kein Gefallen am Tod des Schuldigen, sondern daran, dass ein Schuldiger sich abkehrt von seinem Weg und am Leben bleibt” (Ez 33,11). 

Durchdem dass dein Vater in der Hölle ist, wird keine perfekte Gerechtigkeit geschaffen, weil du nichts davon hast.

Stattdessen musst du alles in die Wege leiten, um deinen Vater dazu zu bringen, sich zu bekehren, dir zu geben, was dir zusteht, und so gut wie möglich, all das wiedergutzumachen,  was er dir angetan hat.

Ist nicht das, wahre Gerechtigkeit?

6. Jetzt zeige ich dir aber, was Gott von dir verlangt, um dich mit allerlei Gutem zu überschütten:

“Denn der Herr hat dem Vater Ehre verliehen bei den Kindern und das Recht der Mutter bei den Söhnen bestätigt.

Wer den Vater ehrt, sühnt Sünden, und wer seine Mutter ehrt, sammelt Schätze.

Wer den Vater ehrt, wird Freude haben an den Kindern und am Tag seines Gebets wird er erhört. 

Wer den Vater ehrt, wird lange leben, und seiner Mutter verschafft Ruhe, wer auf den Herrn hört” (Sir 3,2-6).

Außerdem:

“Kind, nimm dich deines Vaters im Alter an und kränke ihn nicht, solange er lebt! 

Wenn er an Verstand nachlässt, übe Nachsicht und verachte ihn nicht in deiner ganzen Kraft…

Wie ein Gotteslästerer ist, wer den Vater im Stich lässt, und ein vom Herrn Verfluchter ist, wer seine Mutter erzürnt (Sir 3,12-13; Sir 3,16)”.

7. Von daher, um in deinem Gebet erhört zu werden, habe Mitleid mit dem moralischen Elend, in das sich dein Vater gebracht hat.

Nur mit diesen Gefühlen wirst du dem Herrn wohlgefällig sein und er wird dich auch mit all dem überhäufen, was dein Vater dir nicht geben wollte.

Ich schließe dich in mein Gebet ein (und auch deinen Vater) und segne dich.

Pater Angelo