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Frage

Sehr geehrter Don Angelo, 

ich, 57, verheiratet, war als Katholik eigentlich immer ein regelmäßiger Kirchgänger. Aber in der letzten Zeit bin ich etwas verwirrt, weil ich manchmal den Eindruck habe, dass die Kirche vom Lehramt der Kirche abweicht. Und dies, sowohl was die kirchlichen Oberhäupter betrifft, als auch einfache Priester. Die wichtigsten Oberhäupte der Kirchenhierarchie drücken sich oft nicht klar genug aus, geben ungenaue Botschaften weiter und verschließen sich allzu oft in einem zumindest fragwürdigen Schweigen, denn wenn ein Teil der katholischen Welt vor bestimmten Aussagen ratlos bleibt, sollten sie doch zumindest eine Erklärung davon abgeben. Die Missverständnisse und Zweifel, die durch das Apostolische Schreiben Amoris Laetitia hervorgerufen wurden, sind ein deutlicher Beweis dafür. 

Wie bereits erwähnt, ist dies ein Phänomen, das nicht nur die Oberhäupte der Kirchenhierarchie betrifft, sondern auch viele Priester. Vor einigen Wochen habe ich im Fernsehen ein Interview mit einem bekannten Priester aus Turin gesehen, in dem dieser behauptete: “es spielt keine Rolle, ob man an Gott glaubt. Was zählt, ist die Glaubwürdigkeit. Auch wenn jemand noch nicht einmal die Erstkommunion empfangen hat, macht dies nichts aus“. Dieser Priester hat dann auch einen Satz des Papstes instrumentalisiert, und gesagt, dass “Gott kein Katholik ist”. In Wirklichkeit, hat der Papst etwas ganz anderes gesagt, nämlich: „es gibt keinen Gott der Katholiken, sondern einfach Gott“ und damit ist dieses Konzept völlig anders. Letztendlich hat es mich verwirrt und desorientiert. Der Katechismus der Katholischen Kirche lehrt etwas ganz anderes. Sollten wir uns schämen, Katholiken zu sein?  Ist die Katholische Kirche vor der Endstation?  In Bezug auf die Kirche hatte Jesus gesagt: “und die Pforten der Unterwelt werden sie nicht überwältigen”, aber wenn ein Priester, der jeden Tag die heilige Messe feiert, solche Dinge sagt, sind wir wirklich einen Schritt davon entfernt. Kӧnnten Sie mir helfen, mir etwas Klarheit zu verschaffen?  

Herzlichen Dank. 

Einen lieben Gruß

Cristino


Antwort des Priesters

Lieber Cristino,

1. ich war versucht, den ersten Teil deiner E-Mail wegzulassen, um eventuelle Instrumentalisierungen zu vermeiden.  

Am Ende habe ich es doch belassen, da der Inhalt mit ruhigen Worten den Wunsch nach Licht ausdrückt.  

Sich nach dem Licht zu sehnen ist nichts Schlechtes.  

Die Kirche selbst bittet inständig um den Heiligen Geist, indem sie sagt: “Veni, Sancte Spiritus et emitte coelitus lucis tuae radium” (Komm herab,  o Heiliger Geist, der die finstre Nacht zerreißt, strahle Licht in diese Welt.

Des Weiteren: “Komm, o du glückselig Licht, fülle Herz und Angesicht, dring bis auf der Seele Grund”.

Wo Licht ist, ist Leben und alles erdenklich Gute.   

2. “Wenn das Licht fehlt, wird alles verworren, und es ist unmöglich, das Gute vom Bösen, den Weg, der zum Ziel führt, von dem zu unterscheiden, der uns richtungslos immer wieder im Kreis gehen lässt”, liest man in der Enzyklika Lumen fidei, die von Papst Benedikt zusammen mit Papst Franziskus geschrieben worden ist. (LF 3)

Wenn das Licht des Glaubens fehlt  “verlieren am Ende auch alle anderen Leuchten ihre Kraft. 

Das Licht des Glaubens besitzt nämlich eine ganz besondere Eigenart, da es fähig ist, das gesamte Sein des Menschen zu erleuchten.” (LF 4).

3. In den letzten Tagen hatte ich die Gelegenheit, noch einmal nachzulesen, was Thomas Merton, ein berühmter Trappistenmönch der 50er Jahre, kurz vor der Priesterweihe in seinem Buch mit dem Titel “Das Zeichen Jonas” geschrieben hat.

Es war der 4. August 1949. Damals wurde an diesem Tag das Fest des heiligen Dominikus gefeiert.

“Ich sitze hier unter den von Heuschrecken wimmelnden Bäumen, in der Nähe des Grabes von Don Frederic, die Füße im blauen Kies, und denke an den Geist des heiligen Dominikus.   

Es ist ein Geist, der wenig oder gerade nichts mit unserem zu tun hat, aber er beeindruckt einen, und heute messe ich ihm deutlich mehr Bedeutung bei als vor vier oder fünf Jahren.   

Ich wünschte, ich hätte das Studium der Theologie mehr nach der Mentalität des Hl. Dominikus angetreten.    

Was ich am meisten vermisse, sind die wichtigsten dominikanischen Eigenschaften wie Schärfe, Entschlossenheit, theologische Genauigkeit” (Thomas Merton, das Zeichen Jonas, 4 agosto 1949). 

4. Aber kommen wir nun zur Aussage des, von dir erwähnten, Priesters von Turin: “es spielt keine Rolle, ob man an Gott glaubt. Was zählt, ist die Glaubwürdigkeit. Auch wenn jemand noch nicht einmal die Erstkommunion empfangen hat, macht dies nichts aus”.

Dass es keine Rolle spielt, ein Gläubiger zu sein, ist Torheit, besonders wenn dies ein Diener Christi zum Ausdruck gebracht hat.  

Als Jesus die Erde verließ, sagte Er nämlich:  “Geht hinaus in die ganze Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schӧpfung.  Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet; wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden”.

Wer nicht glaubt, hat keine klare Vorstellung von dem Ziel, auf das unser ganzes Leben zulaufen muss: die Gedanken, Gefühle, Werke.   

Wie können wir also glaubwürdig sein, wenn wir nicht wissen, was wir anstreben?

In der Heiligen Schrift lesen wir an einer anderen grundlegenden Stelle: “Ohne Glauben aber ist es unmӧglich, Gott zu gefallen; denn wer hinzutreten will zu Gott, muss glauben, dass Er ist, und dass Er die, die Ihn suchen, belohnen wird” (Hebr. 11,6).

5. Deshalb halten sowohl das Lehramt der Kirche als auch die Theologie den Glauben für de necessitate salutis, also für die unbedingte Heilsnotwendigkeit.

Der Grund ist leicht zu verstehen: Da der Mensch mit Vernunft ausgestattet ist, muss er das Ziel kennen, auf das er zusteuert.

Tiere folgen ihren Instinkten und lassen sich daher eher von ihnen leiten als von sich selbst.

Für den Menschen hingegen ist es absolut notwendig, das Ziel zu kennen, auf das er zusteuert, besonders wenn dieses Ziel übernatürlicher Natur ist.

Er kann es nur erkennen, wenn es ihm offenbart wird und wenn der Mensch darauf zugeht, indem er sich von Christus leiten lässt, “wie ein Jünger, der es von der Lehre Gottes lernt” (per modum addiscentis a Deo doctore).

Das sagt der Hl. Thomas in der Summa theologiae, II-II, 2, 3.

6. Dasselbe gilt auch für die eucharistische Kommunion, die ebenfalls de necessitate salutis ist, da der Herr gesagt hat: “Jesus sagte zu ihnen: «Amen, amen, ich sage euch: wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und Sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch” (Joh. 6,53).

Dann fügte der Herr hinzu: “Wie mich der lebendige Vater gesandt und ich durch den Vater lebe, so wird jeder, der mich isst, durch mich leben” (Joh. 6,56-57). 

Welche Verschmelzung der Seele mit Jesus Christus kann denn wohl ohne die eucharistische Kommunion erreicht werden, deren Ziel es ist, uns in Christus zu verwandeln, wie der heilige Thomas uns erinnert?

6. Die Schlussfolgerung steht also genau im Gegensatz zu dem, was dieser Diener Christi gesagt hätte: Um glaubwürdig zu sein, muss man gläubig sein.

Ich danke dir für die Geduld, mit der du auf diese Antwort gewartet hast.  

Ich schließe dich in mein Gebet ein und segne dich. 

Pater Angelo