Questo articolo è disponibile anche in: Italienisch Deutsch

Frage

Lieber Pater Angelo

ich hätte eine Frage;

Wenn Gott ein liebevoller und gerechter Vater ist, warum gibt er dann nicht jedem die gleichen Bedingungen und Talente auf der Erde? (Gesundheit, Intelligenz, Schönheit, Glaube usw.)

Dankeschön und viele Grüße

Marco 


Antwort des Priesters

Lieber Marco,

1. das größte Talent, ist die Gnade.

Sie ist das Größte, weil sie von übernatürlicher Art ist.

 Ihr Wert ist unschätzbar.

Diese Gnade bietet Gott jedem an.

2. Die Talente und die unterschiedlichen menschlichen Fähigkeiten sind noch alle in der Größenordnung der Mittel.

Mit diesen Mitteln ist niemand anderen gegenüber im Nachteil, sich das zu verschaffen, was am wichtigsten ist und ewig bleibt: die heiligmachende Gnade.

Jeder Anlass bietet uns die Gelegenheit, alles für den Herrn zu tun und es in eine heilige, Gott wohlgefällige, Opfergabe zu verwandeln.

Was uns unbedeutend erscheinen mag, wie beispielsweise ein Moment der Langeweile oder Müdigkeit, der oft im Unterricht aufkommt, kann, in dem Maße, mit dem es dem Herrn angeboten wird, die höchste und fruchtbarste Tat unseres Tages werden.

3. Der heilige Paulus besteht auf diese Notwendigkeit, jede unserer Taten in einen Akt der Liebe zum Herrn zu verwandeln.

Er sagt nämlich: “Tut eure Arbeit gern, als wäre sie für den Herrn und nicht für Menschen; ihr wisst, dass ihr vom Herrn das Erbe als Lohn empfangen werdet. Dient Christus, dem Herrn!” (Kol 3,24-25).

Und “alles, was ihr tut mit Worten oder mit Werken, das tut alles in dem Namen des HERRN Jesu und danket Gott und dem Vater durch ihn” (Kol 3,17); Ihr esset nun oder trinket, oder was ihr tut, so tut es alles zu Gottes Ehre” (l Kor 10,31). 

Und weiter: “Keiner von uns lebt sich selber und keiner stirbt sich selber: Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn. Ob wir leben oder ob wir sterben, wir gehören dem Herrn” (Rm 14,7).

4. Nun ist es natürlich sehr unwahrscheinlich, sich in jedem einzelnen Augenblick an den Herrn erinnern zu können, um jede einzelne Handlung und jeden Atemzug in einen Akt der Liebe zu Ihm zu verwandeln.

Aber die allgemeine Absicht, die am frühen Morgen beginnt, ist schon ausreichend, wie zum Beispiel, wenn wir das schöne Gebet sprechen: “Ich bete dich an, mein Gott, und liebe dich von ganzem Herzen. Ich danke dir, dass du mich erschaffen, zum Christen gemacht und heute Nacht bewahrt hast. Ich biete dir die Handlungen des Tages an, mache sie alle nach deinem heiligen Willen zu deiner größeren Ehre. Bewahre mich vor Sünde und allem Bösen. Deine Gnade sei immer bei mir und bei all meinen Lieben. Amen“

5. Auf diese Weise verwandelt sich unser ganzes Leben in einen Akt der Liebe für Ihn. 

Die einzelnen Handlungen, die wir ausführen, sind in Gottes Augen desto wertvoller, je mehr Liebe wir für Gott und unsere Nächsten in unser Tun hineinlegen.

Gott betrachtet unser Leben aus diesem Blickwinkel und sieht, wie sich unser Herz Ihm durch diese individuellen Taten anbietet. 

In den Augen der Menschen erscheinen viele Handlungen als demütig und manchmal als unbedeutend, wie es zum Beispiel Momente der Langeweile oder der Müdigkeit sind.

Aber vor Gott zählen sie viel, wenn sie in eine Opfergabe und einen Akt der Liebe verwandelt werden.

6. Die hl. Katharina von Siena kommentiert die Aussage von Papst Gregor dem Großen in einzigartiger Weise: „Nächstenliebe ist nie untätig, sondern bewirkt immer Großes“.

Sie schreibt: “Dies ist in der Tat das Merkmal der göttlichen Liebe, immer tätig zu sein, ohne jemals zu ermüden, wie der Wucherer, der immer Gewinne erbringt, denn die Zeit verdient für ihn das Geld: selbst wenn er schläft, isst, in allem, was er tut, verdient er, ohne Zeit zu verschwenden. Und das tut nicht der Wucherer selbst, sondern der Schatz der Zeit.

So macht es auch die christusliebende Braut, die in göttlicher Liebe verbrannt ist: Sie verdient immer und ist nie untätig. Selbst wenn sie schläft, die Nächstenliebe, während sie schläft, arbeitet und Früchte aus allem schöpft, sowohl beim Essen, Schlafen als auch beim Wache halten” (Brief n. 108).

7.  Ebenso sagt der heilige Franz von Sales: “Manchmal überlappen wir den natürlichen Zweck unserer Handlung mit einem weniger perfekten Zweck; andere Male mit gleicher Vollkommenheit und ein weiteres Mal zu einem viel erhabenerem und vollkommenerem Zweck. 

Während wir beispielsweise dem Armen Hilfe leisten, was das natürliche Ziel des Almosengebens ist, können wir auch darauf abzielen, seine Freundschaft zu verdienen, unseren Nächsten aufzubauen, Gott zu gefallen. Drei verschiedene Ziele, von denen das erste weniger perfekt ist, das zweite etwas vollkommener und das dritte viel höher ist als der natürliche Zweck des Almosengebens“.

Und fährt dann fort: „Seid gute Banker, sagt uns der Erretter. Achten wir darauf, nicht die Gründe und den Zweck unserer Werke zu ändern, es sei denn, um einen Vorteil und Gewinn zu erzielen; und in diesem Handel, achten wir darauf, nichts zu tun, was nicht der richtigen Ordnung und Vernunft entspricht “ (Franz von Sales, Teotimo, XI, 13).

8. Aus dieser Sicht verstehen wir besser, was der Herr meinte, als er das sagte “Viele Erste werden Letzte sein und Letzte Erste” (Mt 19,30).

Und auch was Paulus sagte, als er schrieb: “Keiner täusche sich selbst. Wenn einer unter euch meint, er sei weise in dieser Welt, dann werde er töricht, um weise zu werden. Denn die Weisheit dieser Welt ist Torheit vor Gott. In der Schrift steht nämlich: Er fängt die Weisen in ihrer eigenen List. Und an einer anderen Stelle: Der Herr kennt die Gedanken der Weisen; er weiß, sie sind nichtig  (1 Kor 3,18-20).

9. Vor den Augen der Welt hätte das Leben der heiligen Therese von Lisieux, das im Alter von 24 Jahren in einem Kloster endete, unbedeutend erscheinen können.

Aber was für eine Größe, wenn man es mit den Augen Gottes betrachtet.

In ihrer Autobiographie lesen wir: “Da meine unermesslichen Sehnsüchte für mich ein wahres Martyrium waren, wandte ich mich den Briefen des hl. Paulus zu, um endlich eine Antwort zu finden. Mein Blick fiel zufällig auf die Kapitel 12 und 13 des ersten Korintherbriefes, und im ersten lese ich, dass nicht alle gleichzeitig Apostel, Propheten und Ärzte sein können und dass die Kirche aus verschiedenen Gliedern besteht; die Augen können nicht gleichzeitig auch Hände sein. Sicherlich eine klare Antwort, aber nicht so, dass sie meine Begierden befriedigt und mir Ruhe gibt.

Ich las also weiter und verlor nicht den Mut. So fand ich einen Satz, der mir Erleichterung verschaffte: “Strebt aber nach den höheren Gnadengaben! Dazu zeige ich euch einen überragenden Weg” (1 Kor 12,31). Wie der Apostel deutlich macht, sind selbst die besten Charismen nichts ohne Nächstenliebe und diese Nächstenliebe ist der vollkommenste Weg, der sicher zu Gott führt. Ich hatte endlich Frieden gefunden.

In Anbetracht des Mystischen Körpers der Kirche fand ich mich in keinem der von Paulus beschriebenen Glieder wieder, oder besser gesagt, ich wollte mich in allen wiederfinden. Die Nächstenliebe bot mir den Grundstein meiner Berufung. Ich habe verstanden, dass die Kirche einen Körper hat, der aus verschiedenen Gliedern besteht, aber dass in diesem Körper das notwendige und edelste Glied nicht fehlen darf. Ich habe verstanden, dass die Kirche ein Herz hat, ein Herz, das von Liebe brennt.  Ich habe verstanden, dass nur die Liebe die Glieder der Kirche zum Handeln antreibt und dass die Apostel, wenn sie diese Liebe auslöschen, das Evangelium nicht mehr verkündigen, die Märtyrer ihr Blut nicht mehr vergießen. Mir wurde klar und ich verstand, dass die Liebe alle Berufungen in sich trägt, dass Liebe alles ist, alle Zeiten und Orte umfasst, mit einem Wort, dass die Liebe ewig ist.

Dann rief ich mit großer Freude und Verzückung der Seele: O Jesus, meine Liebe, ich habe endlich meine Berufung gefunden. Meine Berufung ist die Liebe. Ja, ich habe meinen Platz in der Kirche gefunden und du hast mir diesen Platz gegeben, oh mein Gott.

Im Herzen der Kirche, meiner Mutter, werde ich Liebe sein, und auf diese Weise werde ich alles sein und mein Wunsch wird Wirklichkeit” (Geschichte einer Seele, 254)

Ich wünsche dir, dass du für alle Ewigkeit zu den Ersten gehörst, die vor Gott stehen. Ich versichere dir meines Gedenkens im Gebet und segne dich.

Pater Angelo