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Frage
Lieber Padre Angelo,
was ist das Denken des Hl. Thomas über die Nächstenliebe?
Was bedeutet für den Hl. Thomas Nächstenliebe?
Vielen Dank für Ihre Bereitschaft.
Fabiola
Antwort des Priesters
Liebe Fabiola,
1. Der Hl. Thomas leitet den Traktat über die Liebe mit der folgenden Frage ein: “ob die heilige Liebe Freundschaft ist” (utrum caritas sit amicitia) (Summa theologiae, II-II, 23, 1).
Und nachdem er mehrere Einwände vorgebracht hat, nach denen die heilige Liebe keine Freundschaft ist, kommt er zu dem Schluss: “Also ist die heilige Liebe offenbar eine gewisse Freundschaft des Menschen mit Gott ” (Ib.).
Über die Aussage des Evangeliums: “Ich nenne euch nicht mehr Knechte, sondern Freunde” (Joh. 15,15) schreibt er: “Dies ward aber auf Grund der heiligen Liebe gesagt” (Ib., sed contra).
2. Dann erklärt er genauer: “Nicht jede Liebe ist Freundschaft, sondern es ist ein mit Wohlwollen verbundene Liebe, wenn wir nämlich jemanden in der Weise lieben, dass wir sein Wohl wollen. Wollen wir aber nicht das Wohl der geliebten Gegenstände, sondern das, was ihr Wohl ausmacht, für uns, wie wir den Wein, das Pferd usw. lieben, so ist diese die Liebe der Begierlichkeit. Dann lächerlicherweise würde man sagen, man hätte Freundschaft mit dem Wein, mit einem Pferd, usw.
Zum Wohlwollen muß bei der Freundschaft noch eine gewisse Gegenliebe treten, weil der Freund dem Freund Freund ist. Und solches Wohlwollen ist begründet in irgend welcher Gemeinsamkeit. (Ib.)
3. Freundschaft setzt eine gewisse Affinität voraus: entweder des Charakters, der Ideen oder des Berufes oder des Lebens oder der Gefühle… Wenn zwei Personen einander in allem entgegengesetzt sind, gäbe es ständige Auseinandersetzungen und Konflikte, was den Umgang miteinander unmӧglich machen würde.
Unter Freunden gibt es eine solche Affinität, wo wir sagen können, der eine ist die Vervollständigung des anderen.
Laut Aristoteles ist der Freund des anderen Selbst. (Nikomachische Ethik, VIII,5.5).
Deshalb behaupteten alle antiken Autoren, insbesondere Sallust, Seneca, Cicero und der Hl. Hieronymus, dass die Freundschaft Gleichgesinnte findet oder Menschen gleich macht (amicitia aut similes invenit aut facit).
4. An dieser Stelle tritt eine, auf den ersten Blick unüberwindliche, Schwierigkeit ein: wir sind von Natur aus, Gott nicht „gleich“ und können auch seine Gedanken nicht kennen, die sich so sehr voneinander unterscheiden, wie der Himmel von der Erde.
Aber durch die Gnade macht Gott uns irgendwie Ihm ähnlich: “die Seele wird kraft der Gnade Gott gleichförmig” (Summa theologiae, I, 43, 5, ad 2), kraft dessen wir Anteil an der göttlichen Natur erhalten (2 Petr. 1,4).
5. Ein Beispiel kann uns helfen, diese Vergӧttlichung zu verstehen: wenn Feuer das Holz durchdringt, lässt es das Holz von seiner Natur teilhaben. Ähnlich dringt Gott durch die Gnade in uns ein und macht uns Ihm ähnlich (Ib., I-II, 62, 1, ad 1).
Und so bringt die Liebe als wahrhafte Freundschaft mit Gott nicht nur dazu, für den Herrn zu leben, sondern auch mit dem Herrn zu leben.
6. Aus diesen Aussagen ergeben sich zwei Konsequenzen.
Erstens, dass Freundschaft eine gewisse Lebensgemeinschaft voraussetzt. Laut Aristoteles haben “Schweigen und Distanz viele Freundschaften aufgelӧst” (Nikomachische Ethik, VIII,5.5).
Freund Gottes ist daher derjenige, der durch die Gnade in Gemeinschaft mit Ihm lebt.
7. Zweitens, erfordert es eine bestimmte Identität des Willens. Freunde haben die selben Wünsche und Abneigungen. (idem velle et idem nolle). Tut der eine unbesorgt, was dem anderen missfällt, erleidet die Freundschaft einen Rückschlag und gerät ins Wanken.
Jesus sagt: “Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen” (Joh. 14,23).
Wahre Liebe zeigt und drückt sich in Werken aus, denn Liebe manifestiert sich so. Jemanden zu lieben bedeutet nämlich nichts anderes, als ihn gern zu haben und sich das zu wünschen, was er sich wünscht. Wer also nicht den Willen des Liebsten tut und nicht seinen Wünschen nachgeht, der liebt nicht wahrhaftig. Diejenigen, die also nicht den Willen Gottes tun, beweisen damit, Ihn nicht wirklich zu lieben.
Deshalb sagt Jesus: “Wer meine Gebote hat und sie hält, der ist es, der mich liebt”, das heißt, er empfindet wahre Liebe für mich” (Hl. Thomas, Kommentare zum Johannesevangelium 14,21 (In Joann. XIV, lect. 5).
Ich grüße dich, schließe dich in mein Gebet ein und segne dich.
Padre Angelo