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Frage

Lieber Padre Angelo,

ich schreibe Ihnen erneut! In der Vergangenheit habe ich mich sehr oft an Gott, an die Muttergottes oder an die Heiligen gewandt, um Gnaden zu erbitten, doch mir wurde bewusst, dass ich mich dabei immer selbst an die erste Stelle gesetzt habe, obwohl ich auch Gutes für mein geistliches Leben erbittete, wie  Keuschheit, Weisheit, Kraft, Zuwendung usw …, sozusagen um größere künftige Herrlichkeit erlangen zu können und nicht aus wahrer Liebe zu Gott. In gleicher Weise ziehe ich auch meine lebenden und verstorbenen Angehörigen, Gott vor. 

Meine Handlungen waren mitunter durch Eigenliebe verdorben; in den allermeisten Fällen nicht aus vergänglichem Interesse, sondern für die ewige Herrlichkeit, und ich habe mich auch gefragt, ob es falsch ist, sie zu begehren. Um ein Beispiel zu nennen, wenn ich einen Kranken beistehe, weil ich erkenne, dass es eine gute Sache ist, dass es das ist, was Christus uns gelehrt hat usw.  und doch neige ich, mich dabei zu rühmen, zu den Heiligen zu gehören. Bis ich dann von den Laudes, der Praxis der ersten 5 Samstage des Monats und der Offenbarungen von Santa Brigida, oder  der Dienerin Gottes Luisa Piccarreta erfahren habe und dadurch begonnen habe, Gott an die erste Stelle zu setzen. Ich habe mich allerdings gefragt, wie ich, als einfacher Sünder, meine himmlische Mutter trösten und die Dornen aus ihrem unbefleckten Herzen entfernen kann oder wie Christus helfen, das Kreuz zu tragen, seine Wunden zu begrüßen usw…

Wie können denn schon meine elende Buße, elenden Gebete oder Opfer bewirken, gegen die Beleidigungen, die Christus und der Muttergottes zugefügt werden? Wie können sie zur Bekehrung der Sünder führen, wenn nicht einmal das Leiden Christi dafür ausreichten (das will jetzt keine Gotteslästerung sein; Gott respektiert unsere Freiheit).

Ganz zum Schluss möchte ich noch wissen, ob Christus, die Muttergottes, die Heiligen usw. Schmerz empfinden aufgrund derer, die wegen ihren Sünden verdammt sind? Wie lässt sich all dies mit dem ewigen Glück vereinbaren, das sie stattdessen genießen? Können Sie mir etwas mehr Klarheit darüber verschaffen?

Luca


Antwort des Priesters

Lieber Luca,

1. du hast einen wichtigen Punkt für unser christliches Leben angesprochen.

Zurecht fragst du dich: aber wenn ich Gott nur für mich selbst oder für meine Angehörigen erbitte, kann man dann noch von wahrer Liebe sprechen?

Es hat den Anschein, dass man immer nur sich selbst liebt.

2. Ausgehend vom Wort des hl. Paulus ‘Nächstenliebe sucht nicht ihren Vorteil’ (1 Kor 13,5) hat ein bekannter mittelalterlicher Denker geschlussfolgert: “Man kann nicht von Nächstenliebe sprechen, wenn wir nur für uns, zu unserem eigenen Vorteil lieben, und das Ziel unserer Absicht in uns und nicht in Christus legen, anstatt einfach so, grundlos zu lieben. Solche Menschen sollte man eher als Freunde des Wohlbefindens betrachten, die mehr von Geiz als von Anmut durchdrungen sind”.

Dieser Denker war Peter Abaelard und er machte diese Aussage in seiner Expositio in Epistulam ad Romanos, lib. III.

3. So gesagt, müssen wir ihm wohl Recht geben und zu dem Schluss kommen, dass wir bisher in unserem Leben immer nur uns selbst  geliebt haben, im eigenen oder gemeinsamen Interesse, aber nicht Gott zuliebe.

4. Das Hilfreiche an Abaelards Bemerkung besteht sicherlich darin, dass sie uns vor die grundlegende Frage stellt: liebe ich wirklich Gott, oder immer und einzig nur mich selbst?

Wenn die christliche Liebe nicht auf ihren eigenen Vorteil bedacht ist, sondern auf den Vorteil Gottes und unserer Nächsten, habe ich dann jemals begonnen, den Herrn ernsthaft zu lieben und für Ihn zu leben?

5. Der heilige Thomas antwortet mit Gelassenheit und betont, dass Selbstliebe der Liebe zu Gott und zum Nächsten nicht entgegengesetzt ist, denn der Herr selbst hat uns nämlich gesagt, unseren Nächsten zu lieben wie uns selbst.

Im Kommentar zu den Worten des hl. Paulus im Korintherbrief “Die Liebe handelt nicht ungehörig, sucht nicht ihren Vorteil, lässt sich nicht zum Zorn reizen, trägt das Böse nicht nach ’ (1 Kor 13,5)  sagt er: “das sollte genau verstanden werden. Wer nämlich seinen Nächsten liebt, wie sich selbst, sucht das Wohl der anderen auf die gleiche Weise, wie er das eigene sucht, im Sinne dieser anderen Worte des hl. Paulus “Auch ich suche allen in allem entgegenzukommen; ich suche nicht meinen Nutzen, sondern den Nutzen aller, damit sie gerettet werden” (1 Kor 10,33).

6. Der hl. Thomas stellt fest, dass unsere Art, Gott zu lieben, sich nicht auf die Nächstenliebe beschränkt, sondern auch die Hoffnung einschließt.

Und wenn man unter Nächstenliebe, die von Gott in unser Herz eingegossene übernatürliche Liebe versteht, die uns dazu drängt, uns um das Wohl Gottes und das unseres Nächsten zu bemühen, dann ist die theologische Hoffnung andererseits die von Gott in unser Herz eingegossene übernatürliche Liebe, die uns antreibt Gott für das Gute zu lieben, das wir für uns selbst wollen.

7. Solange wir hier sind, das heißt im gegenwärtigen Leben, sind die beiden Arten der Liebe verbunden.

Wir sind aufgerufen, auf beide Arten zu lieben, weil Gott es so will.

Er wünscht es sich so tiefgründig, dass Er uns diese beiden übernatürlichen Lieben einflößt: die übernatürliche Liebe zu uns selbst, derentwegen wir uns um alles kümmern, was unserem zeitlichen und ewigen Wohl nützt, was der theologischen Tugend der Hoffnung entspricht, und die übernatürliche Gottes- und Nächstenliebe, die der theologischen Tugend der Liebe entspricht.

8. Die übernatürliche Liebe zu uns selbst ist keine egozentrische Liebe, denn obwohl sie eine interessierte Liebe ist, entwickelt sie sich von Natur aus zu einer reineren Liebe.

Damit wir uns alles wünschen, was uns nützt, damit die guten Pläne, die Gott in uns und durch uns vollbringen möchte, in Erfüllung gehen.

So bitten wir dann für uns und unsere Lieben alles, was uns nützt, um „uns in seinem heiligen Dienst zu halten“, wie es in einem der vielen Tischsegnungsgebete heißt.

9. Die eine Art zu lieben schließt die andere also nicht aus.

Die christliche Hoffnung, die als Gottes Liebe, unser höchstes Gut, angesehen wird, führt uns naturgemäß zur Liebe Gottes und zu sich selbst und vor allem anderen.

Der heilige Thomas sagt: “Die Hoffnung führt ebenfalls in die heilige Liebe ein, da jemand in der Hoffnung, von Gott belohnt zu werden, sich darauf freut, ihn zu lieben und seine Gebote zu befolgen … Wenn daher die heilige Liebe eintrifft, wird die Hoffnung vollkommener, da wir auf die absoluteste Weise von Freunden hoffen” (Summe der Theologie, I-II, 65, 5).

10. Das bedeutet, dass wir in unserem Leben die übernatürliche Liebe zu uns selbst weiterentwickeln müssen, in der Ausübung einer wahren Liebe, die für den Herrn, für die Erweiterung seines Reiches, für die Bekehrung der Sünder und für das übernatürliche Wohl unseres Nächsten aufgewendet wird.

11. Zu dem Schluss kommen, dass dein Handeln schon lange durch deine Selbstliebe verdorben worden ist, entspricht nicht dem richtigen Ausdruck.

Erstens, weil es Gott selbst ist, der uns drängt, unser Gutes zu wollen, und uns sogar eine besondere übernatürliche Neigung einflößt.

Zweitens, weil diese Art der Liebe, die Nächstenliebe nicht ausschließt, sondern dazu befohlen ist, sich darin zu vervollkommnen.

Die durch die guten Werke hervorgerufene Genugtuung kannst du darüber hinaus als ein Zeichen der Zufriedenheit des Herrn betrachten, der dich ermutigt, diesen Weg fortzusetzen.

12.  Somit komme ich nun zu den letzten beiden Fragen.

Die erste: Wenn das Leiden Christi nicht ausreichte, was können dann wir wohl für die Bekehrung anderer tun?

Nun muss klar gesagt werden, dass die Leidenschaft Christi voll und ganz ausreichte. Auch nur ein einziger Tropfen des Blutes Christi wäre schon mehr als genug gewesen.

Unsere Beteiligung besteht nicht darin, die Verdienste der Leidenschaft des Herrn zu steigern (was ohnehin unmöglich wäre, weil seine Verdienste einen unendlichen Wert haben), sondern darin, unserem Nächsten zu helfen, ihm die Tür zu öffnen, damit die Gnade und die Verdienste Christi auch in seine Adern fließen können.

13. Zum Schluss stellst du mir die Frage, ob Christus, die Muttergottes, die Heiligen usw. Schmerz für die Verdammten empfinden.

Der heilige Thomas unterscheidet zwischen dem Mitgefühl, das aus der Überlegung entsteht, einen Menschen vom Bösen zu befreien, und dem Mitgefühl in dem Sinne, dass man am Schmerz anderer teilnimmt.

Nun, das Mitgefühl, das sich aus der Überlegung ergibt, einen Menschen vom Bösen zu befreien, ist in den Heiligen gegenüber all denen gegenwärtig, die in dieser Welt leben: „In diesem Sinne wird gesagt, dass Gott, die Engel und die Seligen Mitleid haben, indem sie ihre Erlösung wünschen (Summe der Theologie, Anhang, 94,2)

Und es ist auch als „Leidenschaft“ oder Emotion präsent, „wie sie im gegenwärtigen Leben Mitgefühl für sie empfinden“ (Ib.). Zumindest in dem Sinne, dass das, was sie hier gefühlt haben, als Macht der Fürbitte ewig Bestand hat

Im Verhältnis zu den Verdammten liegen die Dinge jedoch anders, denn “im Zustand des jenseits ist es nicht mehr möglich, einen Menschen vom Bösen zu befreien. Deshalb können die Seligen nach ihrer Verherrlichung keinerlei Mitleid mehr mit den Verdammten haben.“ (Ib.)

Ich danke dir für die Fragen, gedenke deiner im Gebet und segne dich.

Padre Angelo