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Frage

Guten Tag Pater,  

es ist das erste Mal, dass ich Ihnen schreibe. Meine Frage betrifft eine Situation, in der ich mich schon seit längerem befinde: jedes Mal, wenn ich Gott näher kommen möchte, überkommt mich ein Gefühl großer Einsamkeit.  

Je mehr ich Gottes Trost suche, desto stärker verspüre ich innere Leere. Ich habe noch nie eine so fühlbare Abwesenheit gespürt. Glauben Sie mir, ich suche nach Ihn. Ich suche Ihn, ohne etwas für mich erbitten zu wollen. Es würde mir genügen, irgendwie Seine Gegenwart zu spüren, aber es geschieht nichts… Es ist ein Gefühl, das ich nur schwer beschreiben kann, aber diese Leere zu fühlen, tut weh. Es lässt mich so einsam fühlen, und damit hoffnungslos. 

“Es freut sich das Herz derer, die Gott suchen”, verspricht die Bibel, aber so ist es bei mir nicht. Und doch suche ich nach Ihm, das kann ich versichern. Ich suche nach Ihm auch jetzt, wo ich Ihnen schreibe. Ich suche Ihn mit dem einzigen Zweck, Seine Gegenwart zu fühlen, ohne mir eine Gegenleistung dafür zu erwarten, wie zum Beispiel eine Lösung für das, was in meinem Leben nicht gut läuft. 

Manche behaupten, es liege allein an unserer Verantwortung, wenn wir nicht imstande sind Gottes Gegenwart zu spüren, aber was sollte ich mehr tun, als Ihm bedingungslos mein Herz zu öffnen? Was ich suche, ist eine aufrichtige, nicht erzwungene Beziehung, in der auch Gott im Alltag zu mir spricht. 

“Darum sage ich euch: bittet und es wird euch gegeben; sucht und ihr werdet finden; klopft an und es wird euch geӧffnet. Denn wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet, und wer anklopft, dem wird geӧffnet.”

Meine Suche ist mittlerweile zu aufreibend geworden und ich frage mich, ob meine Hartnäckigkeit nicht nur Einbildung ist.     

Einen lieben Gruß und vielen Dank im Voraus für Ihre Zeit.  

Sabina


Antwort des Priesters

Liebe Sabina,

1. beim Lesen deiner E-Mail sind mir die Worte des Ungenannten in die Brautleute in den Sinn gekommen (Kap. XXIII):

Indem sich der Ungenannte Kardinal Federigo zuwandte, sagte er: “»Gott! Gott! Gott! Wenn ich ihn sähe! Wenn ich ihn hörte! Wo ist dieser Gott?«

Der Kardinal antwortet ihm: “«Sie fragen mich danach? Sie? Wem ist er näher als Ihnen?

Fühlen Sie ihn nicht in diesem Herzen, welches er erdrückt, bewegt und nicht ruhen läßt, während er zu gleicher Zeit es anzieht und die Hoffnung der Ruhe, des Trostes leise darin wachsen läßt? O, dieser Trost wird unversieglich, wird unermeßlich Sie laben, sobald Sie den Herrn erkennen, seine Weltherrschaft gestehen und um seine Gnade ihn bitten!»

Daraufhin erwiderte der Ungenannte: «Ha, wahrlich, etwas ist da, das mich erwürgt, das mich zernagt! Aber Gott! Wenn dieser Gott vorhanden ist, wenn er derjenige ist, den man predigt, was soll er mit mir anfangen?«

2. Ja, auch das ist eine Art, die Gegenwart Gottes zu spüren.

Durch die Unzufriedenheit aller Dinge wird wahrgenommen, dass nur Gott unser Herz ausfüllen kann. 

Allerdings ist es nicht diese Gegenwart Gottes, die du fühlen möchtest. 

Das ist nämlich eine Gegenwart, die mehr mit einer Gnade verbunden ist, die Gott allen, auch den Sündern, verleiht. Es ist eine antreibende, drängende, beunruhigende Gnade. 

Ganz anders ist die Gegenwart Gottes, die mit der heiligmachenden Gnade verbunden ist.

3.  Die Gegenwart Gottes, die du spüren möchtest, ist mit der Gegenwart Seiner Person verbunden, nicht nur mit einer Geste von Ihm. 

Von dieser Gegenwart hat auch Jesus gesprochen, als er sagte: “Wenn jemand mich liebt, wird er mein Wort halten; mein Vater wird ihn lieben und wir werden zu ihm kommen und bei ihm Wohnung nehmen” (Joh. 14,23).

4. Aus den Worten Jesu verstehen wir, dass die erste Bedingung, um die Gegenwart Gottes zu genießen und auch zu spüren, der Stand der Gnade ist.

Jesus bindet diese Gegenwart an eine Bedingung: dass wir Ihn lieben. Und nicht auf irgendeine Weise, sondern indem wir Sein Wort befolgen.

Das heißt, wenn wir eines seiner Gebote missachten, einschließlich der beiden Gebote der Nächstenliebe, erfüllen wir nicht die Bedingungen dafür, Seine persönliche Gegenwart in uns zu spüren.

5. Manchmal spürt man die Gegenwart Gottes nicht, aufgrund der lässlichen Sünden, auch wenn man in Gottes Gnade lebt. Lässliche Sünden lassen den Eifer verblassen. 

Nun gibt es allerhand lässliche Sünden: man denke beispielsweise an schlechte Gedanken oder an Sünden gegen die Nächstenliebe.   

Man kann auch in Worten sündigen. In der Heiligen Schrift wird darauf hingewiesen, denn “bei vielem Reden bleibt die Sünde nicht aus” (Spr. 10,19).

Es ist eine allgemeine Erfahrung, dass man sich nach langen Gesprächen innerlich ausgelaugt fühlt und die Gegenwart Gottes nicht mehr spürt.

6. Das bedeutet, dass das Spüren der Gegenwart Gottes mit einer gewissen inneren Einkehr verbunden ist.

Selbst im Stand der heiligmachenden Gnade ist es manchmal schwierig, die Gegenwart Gottes zu spüren, wenn es an Stille mangelt.

Die heilige Elisabeth von der Dreifaltigkeit, die ständig die Vereinigung mit den drei göttlichen Personen erlebte, wurde gefragt, welchen Punkt der Regel sie am meisten liebe. Ihre Antwort: „das Schweigen“.

Auch Elias spürte die Gegenwart Gottes im Geflüster einer leichten Brise (vgl.  1 Kӧn. 19,12).

Zuvor hatte er einen ungestümen und starken Wind gespürt, der die Berge brach, er hatte die Erde von einem Erdbeben erbeben gespürt, er hatte sich vor einem Feuer wiedergefunden. Aber in all diesen Realitäten gab es keinen Gott.

7. Dann gibt es noch eine andere, ganz schöne Art, die Gegenwart Gottes zu spüren: dem Wort Gottes zuhören.

Zuhören bedeutet hier nicht einfach das materielle Hören von Worten. Sondern das Nachahmen des Verhaltens der Muttergottes, von der im Evangelium geschrieben steht: “Maria aber bewahrte alle diese Worte und erwog sie in ihrem Herzen” (Lk. 2,19).

Wenn wir eine kontemplative und kommunikative Haltung zu Gott einnehmen, wenn wir auf Sein Wort hören und Ihn fragen: “Warum, Herr, erzählst Du mir diese Dinge?“ und wir bewegen uns nicht vom Fleck, ehe wir nicht  die Antwort kennen, dann spüren wir die Gegenwart des Herrn durch ein Gefühl der inneren Fülle.

Wie der Hl. Thomas in Erinnerung bringt, ist das Wort Gottes nicht ein beliebiges Wort, sondern ein Wort, aus dem Gottes Geist, also Liebe weht.  

Es flößt die Liebe Gottes in unsere Herzen ein und entzündet in uns das Feuer der Liebe.

Es flößt die Liebe in unsere Herzen ein, gegenüber Gott und aller Menschen.

Wenn man diese Erfahrung macht, fühlt sich das Herz wie berauscht an. “Mens impletur gratia”, die Seele wird von Gnade erfüllt, würde der Hl. Thomas sagen.  

8. Auch das inbrünstige Gebet bringt die Gegenwart Gottes in uns. 

Gerne erinnere ich daran, was die Hl. Theresia vom Kinde Jesu bezeugte: „Manchmal, wenn mein Geist so trocken ist, dass ich keinen Gedanken fassen kann, um mich mit dem lieben Gott zu vereinen, sage ich ganz langsam ein ‚Vater unser‘ und dann den Engelsgruß (Ave Maria) auf; dann entzücken mich diese Gebete, nähren meine Seele viel mehr, als wenn ich sie hundertmal hastig aufsagen würde.

Die Heilige Jungfrau zeigt mir, dass sie mir nicht böse ist, sie beschützt mich immer, sobald ich sie anrufe. Wenn ich eine Sorge oder Schwierigkeit habe, wende ich mich sofort an sie, und sie kümmert sich immer wie die zärtlichste aller Mütter um meine Interessen. Wie oft habe ich sie im Gespräch mit den Novizen angerufen und den Nutzen ihres mütterlichen Schutzes gespürt“ (Geschichte einer Seele, 318).

9. Schließlich sollte noch gesagt werden, dass das mangelnde Gefühl der Gegenwart Gottes in uns, manchmal auch zur Reinigung dient, die der Herr in unserem Leben durchführt. 

Das Thema der Reinigung ist jedoch ein separates Kapitel, worüber auf unserer Website schon mehrmals geschrieben worden ist.  

Während ich dir wünsche, durch und durch die Gegenwart Gottes zu spüren, um es mit den Worten der Hl.  Faustina Kowalska zu sagen, schließe ich dich in mein Gebet ein und segne dich.  

Pater Angelo