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Frage

Sehr geehrter Padre Angelo, 

ich möchte um eine Klarstellung bitten, was die Andachtspraktiken betrifft.

Neulich habe ich beim Durchstöbern der „Things of God“ festgestellt, dass es wirklich viele Andachtspraktiken gibt: die Hingabe an das Heilige Herz Jesu, an das Unbefleckte Herz Mariens, an das Heilige Antlitz, an die Tränen der Muttergottes, an das Kostbare Blut Jesu, an die Liebesflamme des Unbefleckten Herzens Mariens, an die Heiligen Wunden, an das dornengekrӧnte Haupt Jesu, an der Schulterwunde Jesu, und viele mehr….

Ich habe mich nach dem Sinn dieser Andachten gefragt, warum es sie gibt und die Notwendigkeit dieser Unterteilung, wenn man bedenkt, dass man sich im Akt der Anbetung dem Dreieinigen Gott zuwendet und nicht etwa einzelnen Lebensereignissen oder Teilen davon (Heiliges Herz, Heiliges Antlitz, Kostbares Blut, Heilige Wunden, usw…).  Sollte man nicht eher die Heilige Jungfrau Maria oder Jesus verehren? Woran kann sich denn ein normaler Gläubiger, ohne angemessene Vorkenntnisse im theologischen Bereich, orientieren?  Wie kann man es verhindern, dem Aberglauben zu “verfallen”, und manche dieser Andachten irdisch zu interpretieren, je nach kӧrperlichem oder geistigem Bedarf, als handele es sich um  spezifische “Arzneimittel”…?! 

Andachtspraktiken, die aus dem Glauben herrühren, sollten helfen, die besonderen Aspekte davon zu begreifen; beispielsweise wird die Hingabe an die Barmherzigkeit Gottes  durch den Rosenkranz der Barmherzigkeit ausgedrückt, in dem für die Bekehrung der Sünder gebetet wird. 

Ich würde aber nicht von einer “Hierarchie” sprechen, wenn man davon ausgeht, dass alle diese verschiedenen Praktiken, laut den Versprechungen, zur Bekehrung ihrer Interessenten führen sollen, von daher also zum Seelenheil…

Beim „Durchstöbern“ vieler Webseiten bin ich leider nicht ausfindig geworden, sondern lediglich auf ähnliche,  unbeantwortete Fragen gestoßen…

Wären Sie also so nett, mir über die verschiedenen Andachtspraktiken etwas mehr Klarheit zu verschaffen und wie man dabei korrekt vorgeht?

Besten Dank im Voraus für Ihre, wie immer, ausführliche Antwort .… 

Gennaro


Antwort des Priesters

Lieber Gennaro,

1. Du hast Recht, die Unterscheidung zwischen der Hingabe Jesu und der Hingabe an Maria müsste genügen.

Christus ist jedoch eine so große Realität und so auf die Bedürfnisse aller abgestimmt, dass uns viele Ereignisse und Einzelheiten Seines Lebens immer wieder aufs Neue überraschen.

Unzählige Andachtspraktiken haben sich im Laufe von zweitausend Jahren Kirchengeschichte gegenüber der  Menschheit Christi entwickelt!

2. Man denke nur an die Verehrung des Jesuskindes, das in einigen Weltgegenden mit einer Krone auf dem Kopf dargestellt wird.  Er kommt “voll Gnade und Wahrheit” (Joh. 1,14) zu uns und  “aus Seiner Fülle haben wir alle empfangen, Gnade über Gnade” (Joh.  14,16). 

Oder man denke an die Verehrung des Allerheiligsten Namens Jesu, die in der Kirchenliturgie aufgenommen worden ist.  Man denke an die wunderschӧne Hymne Iesu dulcis, memoria.

Ich schreibe dir die Übersetzung einiger Strophen auf, aber viele kennen sie auch auf Latein: “Oh Jesus, süße Erinnerung, Quelle wahrer Kraft für das Herz.  Aber über jede Süße hinaus, ist seine Anwesenheit Süße.  

Nichts Angenehmeres kann man singen, nichts Frӧhlicheres  hӧren, nichts süßeres als Jesus, Gottes Sohn, denken.   

Jesus, Hoffnung derer, die sich zum Guten bekehren, wie barmherzig bist du denjenigen gegenüber, die nach dir verlangen?  Wie gut bist du denjenigen gegenüber, die dich suchen, was wirst du aber für diejenigen, die dich finden, sein?

Jesus, Herzensüße, lebendige Quelle, Licht des Geistes, über jede Freude und Wunsch.  

Der Mund kann nicht sagen, das Wort nicht ausdrücken, nur wer es fühlt, weiß, was es heißt, Jesus zu lieben”.

3.  Noch mehr als in den Geheimnissen der Geburt haben sich die Verehrungen an Jesus vor allem in Bezug auf Sein Leiden entwickelt: der gegeißelte Jesus, der dornengekrӧnte Jesus, die Wunde an Seiner Seite und andere Wundmale, Jesus, vom Kreuze abgenommen und in den Schoß Seiner Mutter gelegt, der gestorbene Jesus. 

Verehrungsobjekte waren und sind immer noch, auch die Leidenswerkzeuge Christi.  Allen voran die, dem eigenen Kreuz entnommenen, Reliquien des Herrn: die Dornen, die Nägel. In Bezug auf letzteres ist der in Mailand aufbewahrte, Heilige Nagel, nicht zu vergessen,  von dem schon im IV. Jhr. der große Hl. Ambrosius spricht.  

Es war insbesondere der Hl. Karl Borromäus, der vor allem durch Bußprozessionen diese Frömmigkeit wiederbelebte.  Am Samstag,  den 6. Oktober  1576, brachte er selbst  bei der dritten, von ihm selbst angeführten Prozession, den Heiligen Kreuznagel in den Dom.   Er verordnete, dass die kostbare Reliquie 40 Stunden lang für die Gläubigen auf dem Altar ausgesetzt werden solle. Um das Gebet ohne Unterbrechung halten zu können, wurden Anbetungsrunden arrangiert, in der die Gläubigen sich gegenseitig abwechseln konnten.

Allein dieses Beispiel genügt, um zu beweisen, wie sehr das Gebet, der Glaube und die Verehrung des christlichen Volkes gerade bei großen Katastrophen durch Andachten zum Ausdruck gebracht und wiederbelebt worden sind.

Während ich dir in einem, aufgrund des Coronavirus, besonders katastrophalen Moment schreibe (30. März 2020), erleben wir von Seiten vieler Bischӧfe und Bürgermeister, eine Erneuerung der Andacht zu Jesus, dem Gekreuzigten und zur Jungfrau Maria.

4. Durch die Andachten kommen Jesus und die Muttergottes, dem Leid und den Tragödien des christlichen Volkes besonders nahe.

Sie spielen tatsächlich eine sehr wertvolle Rolle. 

Da der Mensch aus Seele und Körper besteht, möchte er typischerweise durch bildliche Darstellungen des Herrn oder der Gottesmutter, diese sehen, berühren, mit sich tragen können. 

Und sie möchten auch Bilder und Reliquien von Heiligen bei sich haben, um ihren Glauben und ihre Hingabe gerade durch diese Zeichen wiederzubeleben.

5. Mir fällt gerade der Hl. Dominikus ein.  Die Leute verehrten ihn so sehr, dass einige, mehr oder weniger heimlich,  versuchten, sein Gewand anzufassen und andere wollten es sogar zerschneiden.  

Die anwesenden Brüder waren davon angewidert.  Sie machten ihnen Vorhaltungen und trieben sie fort.  Aber der Hl. Dominikus sagte:  “Lasst die Menschen ihre Verehrung ausleben”.

6. Man kann jedoch nicht bestreiten, dass Andachtspraktiken besonders in einigen Regionen  die Oberhand über die Liturgie zu gewinnen scheinen, was manchmal zu „unchristlichen“ Ausdrücken führt, wie es manchmal der Fall ist, wenn sich bestimmte Wunder nicht pünktlich wiederholen.  

Aus diesem Grund weist das Lehramt der Kirche zwar auf die unbestreitbaren Werte der Andachtspraktiken hin, verweist jedoch auch auf einige Gefahren, die bestimmten Formen der Frömmigkeit innewohnen.   Die Rede ist  zum Beispiel von der  “unzureichenden Präsenz wesentlicher Bestandteile des christlichen Glaubens wie etwa die Heilsbedeutung der Auferstehung Christi, das Zugehörigkeitsgefühl zur Kirche, die Person und das Wirken des Heiligen Geistes; das Missverhältnis zwischen der Wertschätzung des Heiligenkults und dem Bewusstsein der absoluten Souveränität Jesu Christi und seines Geheimnisses; der seltene direkte Kontakt mit der Heiligen Schrift; Isolierung vom sakramentalen Leben der Kirche; die Tendenz, das kultische Moment von den Verpflichtungen des christlichen Lebens zu trennen; die utilitaristische Auffassung einiger Formen der Volksfrömmigkeit; die Anwendung von Zeichen, Gesten und Formeln, die manchmal eine zu übertriebene Bedeutung annehmen,  manchmal  bis hin zur Suche nach dem Spektakulären; in extremen Fällen wird so “das Eindringen von Sekten, Aberglauben, Magie, Fatalismus oder Gewalt begünstigt” (Kongregation für den Gottesdienst und die Sakramentenordnung, Direktorium über die Volksfrömmigkeit und die Liturgie, n. 65).

7. Deshalb ist es wichtig, die Andachtspraktiken nicht zu vernachlässigen. Sie werden auch vom Heiligen Geist ausgelöst, der auf vielerlei Weise das Leben des christlichen Volkes belebt. 

Der Heilige Geist erweckt die Frömmigkeit der Gläubigen nicht nur durch die Sakramente und die Liturgie der Kirche, sondern auch durch tausende von  Formen der Andacht, in denen der Glaube des Volkes gefunden und wiederbelebt wird.

Man denke nur an den Heiligen Rosenkranz, den Rosenkranz der Gӧttlichen Barmherzigkeit, den Kreuzweg und an den Reliquienkult selbst.  

Dieser Kult findet ein einzigartiges Zeugnis gerade in der Heiligen Schrift, wo man liest “Auch ungewöhnliche Machttaten tat Gott durch die Hand des Paulus.  Sogar seine Schweißbinden und Tücher, die er auf der Haut getragen hatte, nahm man weg und legte sie den Kranken auf; da wichen die Krankheiten und die bösen Geister fuhren aus” (Apg. 19,11-12).

Es überrascht mich nicht, dass die Menschen die sogenannte „Wundermedaille“, die Kreuzmedaille des Hl. Benedikt, die echten oder ex contactu Kontaktreliquien von Pater Pio und anderen Heiligen so wertschätzen.

8. Aber es versteht sich von selbst, dass all dies mit dem Wachstum in Christus, dem geistigen Kampf, der Ersetzung des alten durch den neuen Menschen, kurzum, mit dem Streben zur Heiligkeit, einhergehen muss, um nicht Gefahr zu laufen, diese Andachtsformen nur auszuüben, um vom Himmel Hilfsmittel zu erhalten.

Das Ziel muss nach wie vor die Heiligung sein, denn die Heiligkeit bleibt die wesentliche Voraussetzung für den Eintritt ins Paradies.

Nicht ich bin es, der das behauptet, sondern Gott selbst in der Heiligen Schrift sagt uns: “Trachtet nach Frieden mit allen und nach der Heiligung, ohne die keiner den Herrn sehen wird!” (Hebr. 12,14).

Daran ist so viel Wahres, dass, wenn man im Moment des Todes diese Voraussetzung nicht erfüllt, diese Heiligkeit – beim Bestehen der Bedingungen – durch das Fegefeuer erreicht werden muss.

Ich danke dir, dass du die Aufmerksamkeit auf dieses Thema gelenkt hast, das sicherlich auch seine Wichtigkeit hat.   

Ich schließe dich in mein Gebet ein und segne dich. 

Padre Angelo