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Frage
Sehr geehrter Pater,
ich bin Agnostiker und schreibe Ihnen, weil mich Ihre durch Zufall entdeckte Kolumne neugierig gemacht hat.
Ich bin nicht gläubig, obwohl ich es einmal war. Es war jedoch kein authentischer Glaube und meines Erachtens ist so ein Scheinglaube nutzlos.
Ich schreibe gerade an einem kleinen Buch über Dantes Virgil, in dem ich mich hin und wieder wiedererkenne oder zumindest versuche, die Art und Weise des Tuns und Handelns nachzuahmen. Mir gefällt die Vorstellung, anderen aus Prinzip zu helfen, und nicht um dafür eine Gegenleistung zu erhalten.
Ich erzähle Ihnen von einem Ereignis, das mich ziemlich verunsichert hat: Eine ganz liebe Freundin von mir hat mich gebeten, ihrer Tochter, die ich seit ihrer Kindheit kenne, Firmpate zu machen. Da ich weit weg von ihnen wohne, hatte sie keine Ahnung, dass ich Agnostiker bin.
(Manchmal bitten sie mich, ihr bei den Hausaufgaben oder bei Recherchen zu helfen, was ich übers Internet erledige).
Sie halten mich für einen Intellektuellen, wahrscheinlich weil ich einen Hochschulabschluss und eine Spezialisierung habe.
Ich habe, wenn auch widerwillig, abgelehnt, denn um es „literarisch“ auszudrücken: „Würd’ger als ich, wird eine Seel’ erscheinen, die geht, schied ich, als Führerin dir vor”.
Ich habe vorgeschlagen, sie an der Hand bis zur Schwelle der Kirche zu begleiten und sie dann dem dafür sicher geeigneteren Paten/ Patin zu überlassen.
Beim Abendessen hat mich einmal das oben erwähnte Mädchen gefragt, ob es Gott gibt, weil sie anscheinend so vieles zu hören bekommt …
Worauf ich antwortete: „Ich weiß es nicht, das ist eine schwierige Frage. Das will aber nicht heißen, dass ich recht habe. Es ist kein Theorem oder wissenschaftliches Gesetz, bei denen ich dir helfen könnte. Du musst selbst darauf kommen. Du musst wissen, dass im Leben nicht alles bewiesen werden kann. Der Glaube jedoch ist für diejenigen, die ihn haben, etwas Positives.”
Ich weiß, Sie werden mit meiner Antwort nicht zufrieden sein, aber ich war ehrlich.
Obwohl ich natürlich niemanden zum Glauben zwingen würde, habe ich aber meiner Nichte (die getauft ist und erste Kommunion empfangen hat) wissen lassen, dass das absichtliche Versäumen der Heiligen Messe auf keiner Weise etwas Gutes ist und sie auch den Religionsunterricht nicht schwänzen darf, weil er für ihre religiöse Erziehung wichtig ist.
Sollte ich mit meiner agnostischen Position auf der falschen Fährte sein, so möchte ich jedoch nicht, dass andere es mir nachtun.
Ich entschuldige mich für die etwas seltsam geratene Mail, aber das sind Dinge, die ich Ihnen sagen wollte, und ich würde mich freuen, Ihre Meinung zu erfahren.
Ich gratuliere Ihnen zu Ihrer Kolumne und wünsche Ihnen alles Gute für die Zukunft.
Herzliche Grüße
Claudio
Antwort des Priesters
Lieber Claudio,
1. ich bin deine E-Mail immer wieder von Neuem durchgegangen, um den roten Faden für die Antwort zu finden.
Endlich habe ich ihn gefunden.
Ich habe mich an die Erfahrung eines großen französischen Dominikaners des 19. Jahrhunderts, Dominique Henri Lacordarie erinnert, der nach der Unterdrückung durch die Französische Revolution den Dominikanerorden in Frankreich neu gründete. Er war auch Abgeordneter.
So wie du, wurde auch er christlich erzogen. Doch im Laufe seines Jurastudiums (er wurde später Anwalt) hatte er den Glauben verloren. Er gab auch zu, dass während des Studiums „nichts zur Unterstützung des Glaubens getan worden war“.
2. Als er später im Leben zu einem hervorragenden Prediger wurde, sagte er mit großer Aufrichtigkeit, dass es nicht so schwer zu verstehen sei, dass der Rausch der geistigen Unabhängigkeit und das Aufbrausen der Leidenschaften sicherlich eine Rolle im Abfall vom Glauben eines 15-Jährigen spielen.
Er gab seine Verfehlungen in der Öffentlichkeit zu und sagte ganz deutlich, dass es dem Menschen unmӧglich sei, ohne die übernatürliche Hilfe der Gnade lange Zeit keusch zu bleiben.
Er sagte auch, dass sein ungläubiger Verstand widersprüchlich war, sein Herz aber keinen Hass kannte.
3. Er sagte auch: “Ich liebe das Evangelium, weil es eine unbeschreiblich erhabene Moral hat; ich respektiere die geistlichen Amtsträger wegen ihres wertvollen Dientes in der Gesellschaft; aber ich habe keinen Glauben mehr”.
4. Einem Freund und Kollegen erzählte er von seiner Bekehrung wobei er schrieb: “Mit siebzehn Jahren verließ ich das Internat mit einer geschwundenen Religion und Sitten, die keinen Halt mehr hatten; aber ich war ehrlich, offen, ungestüm, empfindsam für die Ehre, Liebhaber der Literatur und aller schönen Dinge und mit dem Ideal des menschlichen Ruhms vor Augen”.
5. Er hatte kaum seine ersten Schritte in der Anwaltschaft begonnen, da erhielt er schon großen Beifall von den Gerichtspräsidenten, die ihn zu den grӧßten Redner in der Geschichte zählen ließen.
Aber der Ruhm der Welt, der ihn früher so faszinierte, wurde ihm immer unbedeutender.
Er war unzufrieden und hätte lieber ein einfaches Leben in einer Hütte in einem Schweizer Tal geführt.
6. Im Alter von 22 Jahren schrieb er demselben Freund: „Weißt du, dass ich von Tag zu Tag zu einem Christen werde?
Die Veränderung, die sich allmählich in meinen Meinungen bemerkbar macht, ist einzigartig; ich spüre Glauben in mir aufkeimen und dabei war ich noch nie ein Philosoph.
Ein bisschen Philosophie distanziert vom Glauben, während viel Philosophie zu ihm zurückführt!”.
7. “Alle sagen mir eine gute Zukunft voraus und trotzdem bin ich lebensmüde und kann nichts mehr genießen.
Ich spüre jeden Tag mehr und mehr, wie alles sinnlos ist”.
Und dann: „Ja, ich glaube! Aber warum können mich meine Freunde nicht verstehen?
Warum zweifeln sie an mir und machen sich über meine Glaubensbekehrung lustig?
Wenige Worte würden ausreichen, für das, was ich dir zu sagen habe, und trotzdem muss mein Herz weitschweifig sein.
Ich verlasse das Gericht, wo wir uns nie mehr wiedersehen werden…
Wenn ich mir nun überlege, was der Ausgangspunkt meiner Gedanken war, die ich seit fünf Jahren mit mir herumtrage, die Schritte, die meine Intelligenz vorgenommen hat, dann lässt mich das Ergebnis dieser langsamen Reise voller Hürden über mich selbst staunen und ich fühle mich zur Anbetung Gottes hingezogen.
Mein Freund, nur wer vom Irrtum zur Wahrheit übergeht, kann so fühlen und wer sich aller bisherigen Ideen, derer bizarren Abstammungen, der allmählichen Verkettungen bewusst ist, sie begreift und mit den verschiedenen Überzeugungen vergleicht.
Ein erhabener Moment ist der, in dem der letzte Lichtstrahl die Seele durchdringt und die dort verstreuten Wahrheiten zu einem gemeinsamen Zentrum verknüpft.
Zwischen dem darauffolgenden und dem vorangehenden Moment, zwischen dem, was vorher war, und dem, was danach kommt, liegt immer eine so große Distanz, dass der Begriff Gnade erfunden wurde, um diese Heftigkeit, diese Herrlichkeit von oben, zu verdeutlichen”.
8. Und weiter: „Ich scheine einen Mann zu sehen, der – mit verbundenen Augen – blindlings fortschreitet: Wenn man ihm die Augenbinde nach und nach abnimmt, erscheint ihm der Tag, und in dem Moment, in dem die Augenbinde fällt, sieht er sich der Sonne zugewandt.
Es ist mir unmöglich, den Tag, die Stunde zu nennen, die Art und Weise, wie mein schon seit zehn Jahren verlorener Glaube wie eine unerloschene Fackel in meinem Herzen wieder aufgetaucht ist.
Die Theologie lehrt, dass es jenseits der Vernunft ein anderes Licht gibt, einen anderen Impuls außer dem der Natur, und dieses Licht und dieser Impuls, der von Gott ausgeht, wirken, ohne zu wissen, woher sie kommen und wohin sie gehen: „Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist” (Joh. 3,8).
Gestern ungläubig, heute Christ und mit einer unbesiegbaren Gewissheit; und dies war keine Leugnung der Vernunft, als wäre sie plötzlich in eine unbegreifliche Knechtschaft gefesselt worden, sondern es war im Gegenteil eine Erweiterung ihrer Klarheit in ihr, ein Blick auf alle Dinge unter einem weiteren Horizont und einem durchdringenderen Licht.
Und es war auch nicht eine plötzliche Unterdrückung des natürlichen Charakters unter einer strengeren Regel, sondern es war die Entfaltung seiner Energie, kraft einer Schwingung, die von etwas Höherem kam als von der Natur.
Schließlich war es nicht die Verleugnung der Freuden des Herzens, sondern ihre Fülle und Verfeinerung.
Der Mensch blieb ganz darin, aber dazu war in ihm jener Gott, der ihn schuf“.
Das ist es, was ich dir wünsche, das bald geschieht.
Dass du zu dem Mädchen, dessen Firmpate du machen solltest, und zu deiner Nichte sagen kannst: Ich dachte, alles zu wissen, aber jetzt wurde mir die Augenbinde, die ich vor meinen Augen hatte, aufgelöst und das Licht ist mir erschienen, Gott, die Wahrheit, die den Menschen zu sich selbst zurückbringt.
Mit Gott „bleibt der Mensch erhalten, aber zusätzlich ist in ihm der Gott, Der ihn schuf“.
Es ist der größte Schatz, nach dem ein Mensch für das gegenwärtige und zukünftige Leben streben kann.
Dafür versichere ich dir mein Gebet und gedenke deiner in der Heiligen Messe.
Ich danke dir für die Mail und segne dich.
Pater Angelo