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Frage

Lieber Pater Angelo,

ich danke Ihnen für die Antwort auf meine vorherige Frage, die die Schwerwierigkeit der Sünden der Wollust betraf, und möchte Ihnen nun folgende Frage stellen: Die Todsünde entfernt den Menschen von Gott, entweiht unseren Tempel des Heiligen Geistes, macht uns daher unwürdig, Ihn in uns leben zu lassen und durch uns wirken zu können, und so zu lebendigen Werkzeugen der Nächstenliebe zu werden.

Allerdings setzt die Todsünde gleichzeitig schwere Materie, volle Kenntnis und volle Zustimmung voraus.

Wenn wir die überwiegende Mehrheit der Jugendlichen betrachten, führen sie (mein früheres, hoffentlich für ewig, vergangenes Verhalten inbegriffen) ein “normales” Leben und ihre Sünden betreffen die Wollust, Zorn, Trägheit, Nichtheiligung der Feiertage usw. Das liegt aber wahrscheinlich daran, dass sie nicht an Christus und der katholischen Lehre interessiert sind, schon allein deshalb, weil ihnen die notwendige Erziehung dazu fehlt oder diese zumindest unzureichend ist und sie sich daher beim Heranwachsen nicht mehr darum kümmern und eben so weiter leben, wie die Welt des Satans es ihnen vorgibt.

Dadurch, dass sie auf diese Weise zwar ohne Reue oder Bekehrung und wiederholt  sündigen, jedoch dies auch ohne bewusste Zustimmung und ohne volle Kenntnis geschieht, begehen sie dabei keine Todsünden und können sich so retten……Wieso also versuchen, sie zum Wort Gottes zu bekehren, wenn sie angesichts des fehlenden vollen Bewusstseins vom Begehen schwerer Sünden verschont blieben?

Ist es nicht besser, sie  in ihrem Zustand der „Gewissenlosigkeit“ zu belassen, der sie immerhin zur sicheren Erlösung führen würde?  Warum riskieren, ihnen bewusst zu machen, dass das, was sie tun, schwerwiegend ist, gegen Gott und gegen die Menschen, wenn wir wissen, dass sie sich trotzdem weiterhin falsch verhalten werden, aber diesmal eine Todsünde begehen und sich verdammen werden?

Könnten Sie mir erklären, ob und inwiefern diese Logik unvernünftig ist? Wäre dies der Fall, könnte man sich die Frage stellen, ob eine intensive christliche Erziehung, der Versuch, Christus zu verstehen und im eigenen Leben mit einzubeziehen, die Bemühungen, um sich Tag für Tag zu heiligen, nutzvoll sind, wenn jede einzelne, auch im Glaubensweg leider unvermeidbare Sünde, unendlich viel schlimmer ist als die Sünden derer, die hundertfach sündigen, dies jedoch ohne bewusste Zustimmung tun, ohne jeglichen Sorgen über ihr Verhalten?

Ich hoffe, meine Überlegung  klar genug ausgedrückt zu haben und hoffe auch, Sie finden sie nicht irgendwie blasphemisch oder lächerlich. Ich habe meine Gedanken nicht aus Verzweiflung oder Verachtung für das, was man mir gelehrt hat, niedergeschrieben. Ganz im Gegenteil, ich bin Gott sehr dankbar für meine Familie und für die Gabe des, wenn auch noch schwachen, Glaubens an Ihm.

Ich wollte nur einige meiner Zweifel besser verstehen. Ich danke Ihnen für Ihre Antwort und wünsche Ihnen ein frohes Osterfest im auferstandenen Christus.

Viele Grüße

Paolo


Antwort des Priesters

Lieber Paolo,

1. bei vielen jungen Menschen, die fern von Gott leben, fehlt vielleicht, wie du selbst schreibst, im Sündigen das volle Bewusstsein des Geistes und die bewusste Zustimmung des Willens.

Dies bedeutet aber keineswegs, dass dem nicht trotzdem eine sehr schwere Verantwortung zugrunde liegen kann.

In dem Moment, wo sie sündigen, haben diese jungen Leute (auf die du dich beziehst) nicht die geringste Absicht, Schaden anzurichten. Sie befinden sich in der unüberwindlichen Unkenntnis.

2. Es muss jedoch zwischen einem unüberwindlich und schuldlos irrtümlichen Gewissen und einem unüberwindlich aber schuldhaft irrtümlichen Gewissen unterschieden werden.

Das Zweite Vatikanische Konzil erinnert, dass das unüberwindliche Unwissen auch schuldhaft sein kann, wie wenn “der Mensch sich zu wenig darum müht, nach dem Wahren und Guten zu suchen, und das Gewissen durch Gewöhnung an die Sünde allmählich fast blind wird” (GS 16).

3. Wir können nicht einfach vergessen oder so tun, als ob Jesus, der innere Meister, nicht ständig jedem Gewissen zuflüstert, Gutes zu tun und vor dem Bösen zu fliehen.

Die Herzen der Kinder und Jugendlichen sind für diese Impulse besonders sensibel. Aber dann verhärtet sich das Herz aufgrund der persönlicher Sünden allmählich wie ein Stein und am Ende spürt man das Gefühl von Gut und Böse nicht mehr.

Und das ist tragisch.

Das ist auch der Grund, weshalb das Konzil betont, dass ein bestimmtes unüberwindliches Unwissen schuldhaft ist, weil “sich zu wenig darum müht, nach dem Wahren und Guten zu suchen” und weil “das Gewissen durch Gewöhnung an die Sünde allmählich fast blind wird” (GS 16).

4. Außerdem können wir davon ausgehen, dass Christus, als guter Hirte, unablässig auf der Suche nach den verlorenen Schafen ist.

Dies geschieht durch die Impulse des Gewissens, welche zur Bekehrung anregen.

Diese Impulse werden immer allen gewährt.

5. Aber da gibt es noch etwas, was du in deinen Überlegungen übersehen hast und was besonders gravierend ist. Es scheint fast, als wäre die Situation derer, die sündigen, glücklicher, als jene, die in Freundschaft mit Gott leben.

Nun, in Gnade zu leben bedeutet nicht einfach, keine Todsünden zu begehen und ein ehrliches Rechtsverhältnis zu Gott zu haben.

Im Brief an die Hebräer lesen wir: “Denn es ist unmöglich, jene, die einmal erleuchtet worden sind, die von der himmlischen Gabe genossen und Anteil am Heiligen Geist empfangen haben, die das gute Wort Gottes und die Kräfte der kommenden Weltzeit gekostet haben” (Eb 6,4-5).

Erscheint es dir wenig, Teilhaber des Heiligen Geistes zu werden, aufgrund der persönlichen Gegenwart Gottes, im Herzen eine innere Sättigung  zu erleben?

Und erscheint es dir belanglos, „das gute Wort Gottes und die Kräfte der kommenden Weltzeit“ zu kosten?

Dies ist eine unbezahlbare Erfahrung, lieber Paolo.

Es ist eine Erfahrung übernatürlicher Ordnung, die die Seele mit Licht, Anmut und Freude erfüllt.

Welches Licht gibt es denn in denen, die in Sünde leben und nach und nach darin verfallen?

Ganz zu schweigen von der innewohnenden und mit der Sünde verbundenen Unzufriedenheit.

Die Sünde ist eine vermisste Realität.

Genau deswegen sättigt sie nicht und kann nie sättigen, außer auf eine momentane und illusorische Weise.

 6. Die Schlussfolgerung geht daher in die diametral entgegengesetzte Richtung zu deiner Hypothese: “Ist es nicht besser, sie  in ihrem Zustand der „Gewissenlosigkeit“ zu belassen, der sie dennoch zur sicheren Erlösung führen würde?”. 

Jesus hat sich nicht so ausgedrückt. Stattdessen hat Er gesagt, man solle in die ganze Welt hinausgehen und jedes Geschöpf evangelisieren.

Er hat auch hinzugefügt “wer aber nicht glaubt, wird verurteilt werden” (Mk 16.16).

Er hat nicht gesagt, dass diejenigen, die nicht glauben, leichter gerettet werden als diejenigen, die glauben.

Ich möchte auch daran erinnern, dass Glauben nicht nur bedeutet, zu wissen, dass Gott existiert, denn selbst die Dämonen wissen dies.

Es bedeutet vielmehr, Seinen Lehren zu gehorchen und das Evangelium als Grundlage für das eigene Leben zu nehmen.

Ich grüße dich, wünsche dir, dass du unter deinen Kollegen ein guter Apostel wirst, damit auch sie „Teilhaber des Heiligen Geistes“ werden und „das gute Wort Gottes und die Kräfte der kommenden Weltzeit“ genießen können (Eb 6,4-5).

Bete in der Zwischenzeit für sie und stärke dein Gebet, indem du auch einige Opfer für ihre Errettung anschließt.

Meinerseits gedenke ich deiner im Gebet.

Inzwischen segne ich dich.

Pater Angelo