Questo articolo è disponibile anche in: Italienisch Deutsch
Frage
Lieber Pater Angelo,
ich habe mich vor Kurzem bekehrt und habe einen Weg der seelischen Reinigung eingeschlagen. Deshalb möchte ich besonders jetzt in der Fastenzeit das Wort Gottes aufmerksam meditieren.
Das Lesen des Kommentars im Messbuch zum Evangelium des Tages, am 18. Februar (Matthäus 25,31-46) hat mich völlig durcheinander gebracht, denn soviel mir bisher bekannt war, werden wir bei unserem Tod nach der Einhaltung der Gebote gerichtet, während im betreffenden Kommentar etwas ganz anderes geschrieben steht. Ich zitiere: die Nächstenliebe wird der Maßstab sein, an dem Gott jeden Menschen messen wird und der über seine ewige Seligkeit oder Verdammnis entscheiden wird.
Deshalb möchte ich Sie fragen: und was ist mit der Befolgung der Gebote?
Demzufolge kӧnnte auch ein Atheist, nur dadurch dass er Werke der Nächstenliebe tut, auch ohne in der Gnade Gottes zu stehen, gerettet werden. Glauben Sie nicht, dass der betreffende Kommentar in die Irre führt?
Ich würde gern Ihre Meinung zu diesem Thema erfahren.
Vielen Dank im Voraus.
Saverio.
Antwort des Priesters
Lieber Saverio,
1. es besteht kein Widerspruch zwischen den beiden Aussagen.
Der Hl. Paulus sagt: “Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort erfüllt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!” (Gal. 5,14).
Wenn der Hl. Paulus schreibt “das ganze Gesetz”, meint er damit die Untrennbarkeit der Liebe zu Gott und zum Nächsten.
2. Beim Halten der Gebote geht es nicht einfach darum, die Gesetze nicht zu verstoßen. Es ist vielmehr der konkrete Ausdruck der Liebe zu Gott und dem Nächsten.
Die Liebe zu Gott drückt sich in Seiner Verehrung aus (erstes Gebot), in der Verehrung Seines Namens (die Gegenwart Gottes in uns) und darin, Ihm Ehre zu erweisen (Heiligung der Feiertage).
Nächstenliebe besteht nicht einfach in einer Gefühlsduselei, sondern kommt durch Liebe und Achtung zu ihrem Ausdruck: gegenüber den Angehörigen und gegenüber all unseren Nächsten (viertes Gebot), in der Achtung, die dem Leben unseres Nächsten gebührt (fünftes Gebot), zu seiner Würde, derentwegen er immer als Ziel unserer Hingabe und niemals als Genussmittel betrachtet werden muss (sechstes Gebot), in Bezug auf seine Güter (siebtes Gebot), Beziehungen, die auf Aufrichtigkeit beruhen (achtes Gebot) und in Bezug auf die Ehe und die Rechte aller Menschen (neuntes und zehntes Gebot).
3. Diesen Gedanken bringt auch der heilige Paulus im Brief an die Römer zum Ausdruck, wenn er sagt: “Denn die Gebote: Du sollst nicht die Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren! und alle anderen Gebote sind in dem einen Satz zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. Also ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes” (Röm 13,9-10).
4. Jesus selbst, als der reiche junge Mann ihn fragt, welche Gebote zu beachten sind, nennt nur die der zweiten Tafel: die Nächstenliebe.
In der Enzyklika Veritatis Splendor bemerkt Johannes Paulus II: “Es kann unserer Aufmerksamkeit also nicht entgehen, an welche Gebote des Gesetzes der Herr den jungen Mann erinnert: es sind einige Gebote, die zur sogenannten »zweiten Tafel« des Dekalogs gehören, deren Zusammenfassung (vgl. Röm 13, 8-10) und Fundament das Gebot der Nächstenliebe ist: »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst« (Mt 19, 19; vgl. Mk 12, 31) . In diesem Gebot kommt sehr klar die einzigartige Würde der menschlichen Person zum Ausdruck, die »das einzige Geschöpf ist, das Gott um seiner selbst willen gewollt hat«. Die verschiedenen Gebote des Dekalogs spiegeln in der Tat nur das einzige auf das Wohl der Person hingeordnete Gebot auf der Ebene der vielfältigen Güter wider, die die Identität der menschlichen Person als geistiges und leibliches Wesen in Beziehung zu Gott, zum Nächsten und zur Welt der Dinge kennzeichnen. Wie wir im Katechismus der katholischen Kirche lesen, sind die Zehn Gebote Teil der Offenbarung Gottes. Zugleich lehren sie uns die wahre Natur des Menschen. Sie heben seine wesentlichen Pflichten hervor und damit indirekt auch die Grundrechte, die der Natur der menschlichen Person innewohnen.«
5. Johannes Paulus II. fährt dann weiter fort: “Das heißt selbstverständlich nicht, daß Jesus der Nächstenliebe Vorrang einräumen oder sie gar von der Gottesliebe trennen möchte.
Das Gegenteil ist der Fall, wie sein Gespräch mit dem Gesetzeslehrer beweist: als dieser ihm eine ganz ähnliche Frage wie der reiche Jüngling stellt, sieht er sich von Jesus auf die beiden Gebote der Gottesliebe und der Nächstenliebe verwiesen (vgl. Lk 10, 25-27) und dazu aufgefordert sich zu erinnern, daß nur ihre Befolgung zum ewigen Leben führen kann: »Handle danach, und du wirst leben» (Lk. 10,28) (…).
Die beiden Gebote, an denen »das ganze Gesetz hängt samt den Propheten« (Mt 22, 40), sind zutiefst miteinander verbunden und durchdringen sich gegenseitig. Ihre unauflösliche Einheit wird von Christus mit den Worten und mit dem Leben bezeugt: seine Sendung erreicht ihren Höhepunkt in dem Kreuz, das die Erlösung bringt (vgl. Joh 3, 14-15), Zeichen seiner unteilbaren Liebe zum Vater und zur Menschheit (vgl. Joh 13, 1).
Sowohl das Alte wie das Neue Testament bringen sehr klar zum Ausdruck, daß ohne die Nächstenliebe, die sich in der Einhaltung der Gebote konkretisiert, die echte Gottesliebe nicht möglich ist.
Mit außerordentlicher Wortgewalt schreibt der hl. Johannes: »Wenn jemand sagt: Ich liebe Gott!, aber seinen Bruder haßt, ist er ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht« (1 Joh 4, 20).
Der Evangelist pflichtet der moralischen Verkündigung Christi bei, die in dem Gleichnis vom barmherzigen Samariter (vgl. Lk 10, 30-37) und in der »Rede« vom Weltgericht auf bewundernswerte und unmißverständliche Weise Ausdruck findet (vgl. Mt 25, 31-46)” (VS 14).
6. Um es mit deinen Worten auszudrücken, kӧnnte man sagen: Wahre Nächstenliebe misst sich an der konkreten Einhaltung der Gebote.
Nicht an einer gesetzeskonformen Einhaltung, sondern an einer Einhaltung, die in den Hinweisen des Gesetzes den konkreten und aufrichtigen Weg findet, Liebe auszudrücken.
Ich wünsche dir weiterhin noch schöne Tage voller Osterfreude.
Ich schließe dich in mein Gebet ein und segne dich.
Pater Angelo