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Frage

Guten Tag Pater Angelo,

ich möchte Ihnen gerne eine Frage stellen bezüglich der Tugend der Demut nach unserem Glauben.   

Die Frage ist folgende: wenn es stimmt, dass wir ohne Demütigungen nicht demütig werden können, wie uns Papst Franziskus erinnert, sind Demütigungen dann das Werk und der Wille Gottes?

Wenn eine Person, beispielsweise ein Vorgesetzter oder jemand anders, der uns gegenüber eine Machtposition besetzt, uns verbal oder physisch demütigt, sollten wir dann darin wirklich Gottes Willen sehen?

Aber wenn Gott unendlich gut und heilig ist, wie ist es möglich, dass Er uns dann erniedrigt?

Oder vielleicht meint die Kirche, wenn sie von Erniedrigung und Demut spricht, etwas anderes als das, was im allgemeinen Sprachgebrauch gemeint ist?

Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort. Auch bitte ich um ein gegenseitiges Gebet.

Valentino


Antwort des Priesters

Lieber Valentino,

1. beim Thema Demütigungen muss man differenzieren. 

Es gibt nämlich Demütigungen, die anderen zugefügt werden, aber nur Frucht der Hochmut anderer sind. 

Und es gibt solche, die einer sich selbst zufügt oder die einem gegeben werden, um sich in der Demut zu üben.  

2. In deiner E-Mail beziehst du dich auf die ersten, weil du von verbaler oder physischer Demütigung sprichst.

Deshalb entsprechen diese Demütigungen nicht dem Willen Gottes, da sie Sünde sind. 

Das war zum Beispiel die Demütigung, die Nabucodonosor Israel zufügte, indem er den Tempel entweihte, heilige Gefäße und kostbare Gegenstände plünderte und das Volk nach Babylon deportierte.   

Gott bediente sich jedoch der Sünde anderer, um sein Volk zu belehren, das wenn es wieder zu sich selbst gefunden hat, seine Sünde verstehen und sagen wird: “Er lässt uns Giftwasser trinken, weil wir gesündigt haben gegen den HERRN” (Jer. 8,14); “Groß ist unsere Abtrünnigkeit, gegen dich haben wir gesündigt” (Jer. 14,7); “Wir erkennen, Herr, unser Unrecht, die Schuld unserer Väter: ja, wir haben gegen dich gesündigt” (Jer. 14,20).

3. In diesem Hinblick ist das Gebet von Azarias emblematisch, der zusammen mit David in den glühenden Feuerofen geworfen wurde: “Du hast gerechte Strafen verhängt, in allem, was du über uns gebracht hast und über Jerusalem, die heilige Stadt unserer Väter.

Ja, nach Wahrheit und Recht hast du all dies wegen unserer Sünden herbeigeführt.  Denn wir haben alle gesündigt und durch Treubruch gefrevelt und haben in allem gefehlt. 

Wir haben deinen Geboten nicht gehorcht, haben weder beachtet noch getan, was du uns zu unserem Wohl befohlen hast. 

Alles, was du uns geschickt hast, alles, was du uns getan hast, das hast du nach deiner gerechten Entscheidung getan. Du hast uns der Gewalt gesetzloser Feinde und gehässiger Verräter preisgegeben und einem ungerechten König, dem schlimmsten König der ganzen Welt.” (Dan 3,28-32)

4. So eine Demütigung wird für Israel zu einer Gelegenheit, demütiger zu werden und Gott ein Sühne- und Bittopfer darzubringen, das schӧner und kostbarer ist, als Tausend geopferte Tiere.

Deshalb fährt Azarias fort: “Ach, HERR, wir sind geringer geworden als alle Völker. In aller Welt sind wir heute wegen unserer Sünden erniedrigt. 

Wir haben in dieser Zeit weder Vorsteher noch Propheten und keinen, der uns anführt, weder Brandopfer noch Schlachtopfer, weder Speiseopfer noch Räucherwerk, noch einen Ort, um dir die Erstlingsgaben darzubringen und um Erbarmen zu finden bei dir. 

Du aber nimm uns an! Wir kommen mit zerknirschtem Herzen und demütigem Sinn. Wie Brandopfer von Widdern und Stieren, wie Tausende fetter Lämmer, so gelte heute unser Opfer vor dir und verschaffe uns bei dir Sühne. 

Denn wer dir vertraut, wird nicht beschämt. Wir folgen dir jetzt von ganzem Herzen, fürchten dich und suchen dein Angesicht.  

Überlass uns nicht der Schande, sondern handle an uns nach deiner Milde, nach deinem überreichen Erbarmen!  

Errette uns, deinen wunderbaren Taten entsprechend; verschaff deinem Namen Ruhm, HERR” (Dan 3,37-43).

5. Genauso handelt Gott mit uns, wenn wir uns von Ihm abwenden: Er lässt Demütigungen zu, damit wir uns selbst wiederfinden, Buße tun und in Demut vorangehen.

6. Es gibt dann auch andere Demütigungen, die einer aus sich heraus sucht, um den eigenen Stolz zu bekämpfen oder die uns von Eltern und Erziehern zugefügt werden, die in diesem Fall zu wahren Ministern Gottes werden, um den Charakter der Kinder milder und demütiger zu machen.

In diesem Sinne spricht die Hl. Theresia vom Kinde Jesu, als sie die Schӧnheit des Namen entdeckte, der ihr gegeben worden war: “Theresia vom Kinde Jesu und dem heiligen Gesicht”.

Das Heilige Antlitz Jesu, das in der Nacht der Passion von den Soldaten unvorstellbar gedemütigt wurde.

Aber so vollzieht Gott die Sühne und unsere Erlӧsung.  

7. Auf gleiche Weise wird Theresia Mutter vieler Kinder, indem sie sie zur Bekehrung führt.   

Darüber schreibt sie: “Die kleine, auf den Berg Karmel verpflanzte Blume, entfaltete sich rasch im Schatten Seines Kreuzes. Der wohltuende Tau, der ihr zuteil wurde, waren Seine Tränen, Sein heiliges Blut, und Sein anbetungswürdiges Antlitz war ihre Strahlende Sonne.

Die reichen Gnadenschätze des heiligsten Antlitzes hatte ich bis dahin noch nicht ergründet (…).

Besser denn je begriff ich, worin der wahre Ruhm besteht. Er, dessen Reich nicht von dieser Welt ist  (vgl. Joh 18,36), zeigte mir, dass das einzig erstrebenswerte Königreich darin besteht, unbekannt und für nichts geachtet zu werden (Nachf. Christi, 1,2.3) und in dieser Selbstverachtung seine Freude zu suchen (Jes 53,3). Wie das Antlitz Jesu wollte ich, dass auch mein Antlitz allen Blicken entzogen sei und niemand auf Erden mich erkenne” (Jes 103,3).

Ich dürstete danach, zu leiden und vergessen zu sein” (Geschichte einer Seele, 200).

8. Dazu tragen auch die Demütigungen bei, die die Oberschwestern ihr auf heilige Weise zufügen werden, um ihren Charakter sanftmütiger zu machen.

In dieser Hinsicht sagt sie: “In der Klostergemeinde glaubt man allgemein, Sie hätten mich seit meinem Eintritt in den Karmel auf alle mögliche Weise verwöhnt. Der Mensch sieht nur das Äußere, Gott aber liest im Grunde der Herzen. Meine Mutter, ich danke Ihnen, dass Sie mich nicht geschont haben. Jesus wusste wohl, dass seine kleine Blume des lebendigen Wassers der Verdemütigung bedurfte. Sie war zu schwach, um ohne dieses Mittel Wurzeln zu fassen, und Ihnen verdanke ich diese unschätzbare Wohltat. ” (Geschichte einer Seele, 268).

9. Das also meint Papst Franziskus, wenn er sagt, dass man ohne Demütigungen nicht demütig werden kann.

Es sind nicht die Demütigungen, die unserem Nächsten freiwillig zugefügt werden. Diese sind Sünde.

Stattdessen sind es die, von der Hand des Herrn willkommen geheißenen Demütigungen, Der sich jener bedient, deren sich zu bedienen Ihm wohlgefällt, um uns in Demut zu führen, damit wir in Seinem Weinberg viele Früchte tragen.

In der Hoffnung, sie immer auf diese Weise willkommen zu heißen, begleite ich dich mit meinem Gebet und segne dich.

Pater Angelo